Kolumne (7) – Der Bauer ist sauer – Ohne mich verhungert ihr!

Illustration: Traktor, Landschaft, Werbetafeln für Agrarprodukte

Ohne mich verhungert ihr!

Vermutlich hätte er damit Recht. Jetzt nicht ohne ihn als individuellen Landwirt, aber ohne Landwirtschaft im Ganzen. Auch wenn die Menschheit es erstaunlich lange geschafft hat zu überleben, bevor es Pflanzenanbau in großem Stil gab. Wenn heute allerdings alle in den Stadtpark gehen würden, um Nüsse, Beeren, Früchte und Grassamen zu sammeln und mit Pfeil und Bogen oder einer Kleinkaliberwaffe Kaninchen, Eichhörnchen oder Krähen zu schießen, dann gäbe es wohl ein Hauen und Stechen. Genügend Nahrung für alle wäre aber auf diese Weise nicht zu bekommen. Und die Töpfe mit den Tomatenstauden und die Erdbeeren auf dem Balkon, nein, auch die machen den Kohl nicht fett und den Magen nicht lange voll. Also ja: Liebe Landwirtinnen und Landwirte, wir brauchen Euch, um unsere Lebensmittel herzustellen.

Und doch fühlen sich viele in der Agrarwirtschaft Tätige dazu animiert, große Plakate auf ihre Ackerflächen entlang der Bundesstraßen zu stellen, um für ihr Image zu werben: „Ohne uns verhungert Ihr“, „Landwirtschaft: lieben doch alle!“ Und das schon lange bevor es auch hierzulande Demonstrationen mit hunderten von Traktoren gab.

Nein, denke ich bei der Vorbeifahrt, die abgebildeten Eier und Wurstwaren liebe ich nicht. Und Getreide, Hülsenfrüchte, Gemüse und Obst sind offenbar zu wenig sexy für die Imagewerbung bäuerlicher Produkte. Was ich mich aber noch viel mehr frage: Trifft das überhaupt den Punkt der Debatte? Auch hier ist meine Antwort klar: Nein!

Protestwelle: Warum es einfacher ist, gegen „die Ampel“ zu protestieren, als gegen die Umstände

Die geplante Streichung der Diesel-Subvention, die eine Preiserhöhung von wenigen Cent pro Liter Milch oder pro Kilogramm Kartoffeln schon hätte wett machen können, hat massive Proteste ausgelöst. Doch war sie für viele Landwirte wohl nur der Tropfen, der ein Fass zum Überlaufen brachte, das bereits randvoll war. Die Situation landwirtschaftlicher Betriebe und die Abhängigkeit von Subventionen ist allerdings lange Zeit schon wirtschaftlich nicht nachhaltig. Das betrifft vor allem kleine und mittlere Betriebe. Die sind es auch, die in den zurückliegenden 20 Jahren reihenweise schließen mussten. Jahre übrigens, in denen die CSU das Landwirtschaftsministerium innehatte, wahrlich keine bekennenden Freunde des Öko-Landbaus.

Ausschlaggebend für die Proteste war vermutlich zudem, dass die Streichung an der Kernfrage des Subventions-Prinzips der Landwirtschaft gerüttelt hat. Und es ist offenbar einfacher, gegen „die Ampel“ zu protestieren, die eh gerade viele in konservativen Kreisen auf dem Kieker haben, als gegen die Ursachen der Abhängigkeit von Finanzspritzen aus Brüssel und Berlin.

Ein Beispiel: Discounter zahlen für Lebensmittel Preise, die unter den Produktionskosten liegen. Wer zahlt die Differenz, damit sich der Handel trotzdem für alle lohnt? Der Staat, die EU, letztendlich wir, der Steuerzahler. Es profitieren die Discounter, die ihre Gewinne maximieren. Nur, weshalb protestieren die traktorfahrenden Wutbauern nicht vor den Konzernzentralen und Regionalverteilzentren von Aldi, Lidl, Netto und Co.? Weshalb nicht vor den Schlachthöfen von Tönnies, Westfleisch und anderen, die mit dem „Prinzip billig“ die niedrigen Standards der Tierhaltung erforderlich machen?

Mehr Verantwortung?

Es gibt offenbar einen Reflex, der sofort ein „Ohne uns geht nichts!“ in die Diskussion wirft, wenn es heißt, auch die Landwirtschaft muss mehr für die Umwelt tun.

Frage: Liebe Landwirtschaft, was können wir denn gemeinsam tun, damit weniger Gewässerverunreinigung durch Dünger und Gülle entsteht? Wie können wir mehr Klima-, Arten- und Biotopschutz erreichen?

Antwort: Grummel, grummel, ohne uns verhungert Ihr!

Vorsicht vor diesen veganen Ersatzdingen!

Ein gutes Beispiel für die Verweigerung der Agrarwende ist, was viele Bauernverbände derzeit auf Sozialen Medien veröffentlichen. Regelmäßig lese ich dort Argumente für Fleischverzehr und gegen „diese veganen Ersatzprodukte“. Diese Beiträge werden mir schneller in meine Timeline gespült, als ich sie blockieren kann. Dort wird teilweise mit längst widerlegten Narrativen argumentiert, beispielsweise, dass „diese Ersatzprodukte“ ungesund seien, da dort „so viele Zutaten“ enthalten sind. Allerdings: In der Regel sind im Produkt, das „diese Ersatzprodukte“ ersetzen soll, mehr und vor allem gesundheitsschädlichere Zutaten enthalten, sogar wenn man vom Fleisch darin absieht 1.
Oder möchte jemand wissen, was in der Fleischwurst oder dem Leberkäse so alles drin ist? Außer Pökelsalzen, Farbstoffen und Konservierungsmitteln?

Auch aus Sicht der Landwirtschaftsbetriebe ist der Schutz der Fleischprodukte gegenüber innovativen neuen Produkten absurd. Denn es gibt gerade eine stark wachsende Zielgruppe, die bereit ist, für diese Ersatzprodukte mehr Geld auszugeben als für das offenbar unzeitgemäße Vorgängerprodukt. Da würde ich als Produzent doch jubeln: Diese Produkte schonen nämlich nicht nur Umwelt und Ressourcen, sondern auch den Geldbeutel des Produzenten. 

Weshalb sollte ich 100 kg südamerikanisches Soja importieren, daraus 1 kg Rindfleisch produzieren, wenn ich stattdessen preisgünstiger 2 kg Soja selbst anbauen, daraus 1 kg Tofu produzieren und zum gleichen Preis verkaufen könnte? Und mein Tofu braucht keinen Stall und keine Antibiotika-Spritzen. Seltsam, seltsam.

Aber dennoch brauchen wir die Landwirtschaft und lieben ihre Produkte. Meinerseits aber nur die aus Pflanzen hergestellten.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*