Veni, vidi, vegi (10) – Supplemente

Vitamin B12

Vegane Ernährung, das sei doch nicht natürlich, sagte der Bekannte. Man könne schließlich nicht alle Nährstoffe durch vegane Ernährung zu sich nehmen. 

„Okay,“ erwiderte ich, „aber was spricht denn dagegen, das berühmt-berüchtigte Vitamin B12 in Pillenform zu sich zu nehmen? Und alles andere, das bekommt man schon, wenn man …“

Weiter konnte ich leider nicht argumentieren. Nein, Pillen gingen gar nicht, das wäre eben nicht natürlich. Dabei war der Bekannte der veganen Ernährung gegenüber durchaus aufgeschlossen. Zwangsläufig. Das Herz klopfte an und gab deutliche Warnhinweise, dass es ratsam für ihn wäre, ab sofort besser auf die Gesundheit zu achten. Auf sein Gewicht ebenso. Über Nacht war er zum Veganer geworden und hielt mir lange Vorträge, wie sinnvoll und gesund vegane Ernährung sei. Nicht, dass ich es nicht schon gewusst hätte, im Gegenteil. 

So bestärkten wir uns sogar gegenseitig, noch mehr auf vegane Ernährung zu achten. Bis zwei Wochen später bei ihm der Sinneswandel eintrat. Ebenso plötzlich, wie er Veganer wurde, hörte er damit wieder auf. Ich vermute nicht komplett, aber die rein veganen Mahlzeiten wurden seltener, die Ausnahmen häufiger. Gesundheit schön und gut, aber es sei ja nicht natürlich.

Supplement oder Zusatz?

Ich versuchte es erneut: „Kennst Du schon diese Milchalternativen, in denen Vitamin B12 enthalten ist? Sogar einige Zahnpasta-Sorten haben inzwischen B12-Zusatz! Und neulich, da habe ich diesen Algensalat probiert, der hat einen sehr hohen Anteil an wichtigen Omega-3-Fettsäuren. Die Fische bekommen das auch nur von den Algen, man muss also gar keinen Fisch …“

Er blieb dabei, Zusatzstoffe in Pflanzenmilch, das ist doch nicht natürlich, sagte er, als er einen Schokoriegel aus der Verpackung holte. Ich kam gar nicht mehr zu meinen weiteren Argumenten, zum Beispiel, dass Tierfutter ebenfalls mit Zusatzstoffen und übrigens auch allen möglichen Medikamenten versetzt ist. So soll das Fleisch bestimmte Stoffe enthalten. Und das es nicht weniger natürlich sei Tierfutter zu supplementieren, als unsere Nahrung.

Nein, das wäre nicht natürlich, sagte er und kippte sich ein Portionsbecherchen Kondensmilch in den Kaffee. Hm, das klang für mich inzwischen mehr nach Vorwand als nach Einwand. War er vielleicht noch nicht so weit, die Körpersignale in eine Änderung des Verhaltens oder der Ernährung umzusetzen? Vermutlich ist die Umsetzung auch schwierig, wenn man sich ausschließlich aus gesundheitlichen Gründen für eine vegane Kost entscheidet und es als Verzicht erlebt.

Was ist schon natürlich?

Er sagte noch, dass Affen sich beispielsweise auch nicht vegan ernährten. Das sei ein weiteres Argument dafür, dass vegan nicht natürlich sei. Unsere nächsten Verwandten im Tierreich bräuchten schließlich auch Vitamin-B12. Ich widersprach nicht mehr, auch wenn ich gerne das Argument gebracht hätte, dass Affen Kot essen und dieser Vitamin B12 enthält. Das hätte er, auf menschliche Ernährung übertragen, vermutlich auch nicht als natürlich angesehen. Aber was ist schon natürlich? Die industrielle Tierhaltung und -schlachtung ganz sicher auch nicht.

 

Ich in jedem Fall empfinde die vegane Lebensweise als die Natürlichste und Sinnvollste. Ich habe immer meine Nussmischung dabei, achte auf ein vielfältiges Nahrungsangebot und ergänze das, was ich in meinen Mahlzeiten nicht bekomme. Und hin und wieder ein Bluttest, das ist übrigens auch für Mischköstler*innen sinnvoll, da Vitamin-B12-Mangel auch unter ihnen sehr verbreitet ist.

 

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