Kolumne (2) – Ersatzprodukt? Eine Frage von Form und Inhalt

Veganer Burger

„Ach, ich mache mir übrigens demnächst mein Gemüse aus Mett!“ – Es war mal wieder veganes Bullshit-Bingo in der Mittagspause im Aufenthaltsraum unter Arbeitskollegen. Drei grinsten feist, ich rollte innerlich mit den Augen, hielt aber nach außen die Fassung. Ich setzte mich mit meiner Chili sin Carne zu ihnen, so, dass ich möglichst nicht zu nah an ihren aufgewärmten Mikrowellen-Gerichten saß. Nase zu, Sinne zu, Fokus auf mein köstliches Gericht. Schön scharf, mit Soja-Hack. Oder mit „granulatartig verarbeitetem Soja mit hackfleischähnlicher Konsistenz“. War das für den scherzenden Kollegen genügend politisch korrekt ausgedrückt? Denn es als Soja-Hack zu bezeichnen hat ja offenbar die zartfühlende Seele meines lieben Kolegen derart verletzt, dass er sich zu dem oben erwähnten Scherz bemüht fühlte.

Musst du dir mit Gemüse Dein Fleisch nachbauen?

Nachdem eine beleidigte Reaktion meinerseits allerdings ausblieb, kam die kumpelhafte Nachfrage: „Aber mal im Ernst, wenn du kein Fleisch isst, wieso isst du denn dann Soja-Hack? Musst du dir mit Gemüse dein Fleisch nachbauen?“

Tiefes Luftholen. Innerlich bis drei zählen. Mit ruhiger und gelassener Stimme antworten: „Nein, muss ich nicht. Aber ich lehne ja beim Fleisch nicht die Form ab, sondern den Inhalt.“
Der Kollege sah mich verwirrt an, ergänzte noch einen Halbsatz mit „na, Hack ist doch Hack.“ und wechselte dann das Thema.

Schade, denn ich hätte ihm gerne weiter ausgeführt, dass ich durchaus in der Lage bin, bei meinem Essen zwischen Form und Inhalt zu unterscheiden. Dass ich kein Fleisch und möglichst wenig Tierprodukte esse, weil ich Geschmack und Geruch unappetitlich finde. Auch, dass ich beim Essen nicht das Tierleid vergessen kann, dass industrielle Tierhaltung und das Töten von Tieren verursacht. Dass das aber genau den Inhalt des Produktes betrifft.

Bei Fleischgerichten lehne ich den Inhalt ab,
nämlich totes Tier,
und nicht die Form, gerollt, geschnitten oder gehackselt.

Gerne hätte ich weiterhin ausgeführt, dass es sich kulturgeschichtlich aber als praktisch erwiesen habe, Essen in bestimmten Formen zuzubereiten und dass sich einige Varianten dabei überaus bewährt haben. Beispielsweise klein und gerollt, wie ein Würtschen, in dünne Scheiben geschnitten, wie etwa Aufschnitt oder eben fein gekrümelt wie Hack. Je nach Gericht passt das eine oder andere besser und ich freue mich, dass ich auch bei meinen veganen Gerichten über diese Variationen verfügen kann. Und nein, ein Nachbauen sei das keinesfalls, sondern eine Transformation oder Adaption von Bewährtem. Denn, wie gesagt, ich lehne den Inhalt ab, nämlich totes Tier, und nicht die Form, gerollt, geschnitten oder gehackselt. Und schließlich beiße er ja auch nicht in sein Fleisch, sondern müsse ihm auch passend zu seinem Gericht eine Form geben. Und die finde ich per se nicht unappetitlich.

Allerdings, und das hätte ich dem Kollegen gegenüber wohl verschwiegen, gibt es bei mir auch Grenzen der Akzeptanz von Fleischähnlichkeit. Wenn die vegane Scheibe im Burger allzu fleischlich daherkommt, wenn Rote Beete eine blutige Saftigkeit suggerieren soll, wenn die rosa Würfel im Vleischsalat allzu nach Schinken aussehen und schmecken, ne, dann bin ich nicht begeistert. Eine kleine Differenz zum Tierprodukt hätte ich bitteschön doch gerne. Für das gute Gefühl beim Essen, für das Wissen, dass es eben kein Fleisch ist. Aber da sind wir schon wieder beim Inhalt und nicht bei der Form.

„Ja, euch auch eine schönen Nachmittag, frohes Schaffen.“
Ich fischte die letzten Sojagranulatkrümel aus meiner Schüssel und dachte bei mir: „… und bis zum nächsten Bullshit-Bingo in der nächsten Mittagspause.“

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